Geschichte und Kultur der Roma und Sinti – von Martin Auer

Gaukler in Byzanz

Ein byzantinischer Geschichtsschreiber schildert die Darbietungen einer Gruppe von Akrobaten: „…die Kunst, die sie vorführten war erstaunlich und voll von Magie. Dennoch hatte sie nichts mit Magie zu tun, sondern war eher das Ergebnis von Können, Einfallsreichtum und langer Übung. Sprechen wir zumindest kurz über einige ihrer Stücke: Sie richteten vom Boden zwei oder drei Schiffsmasten gerade auf. Dann zogen sie ein Seil von der Spitze des einen Masten zur Spitze des anderen. Einer der Männer führte, nachdem er mit Hilfe dieser Stufen bis zur Spitze hinaufgeklettert war, auf der Mastspitze einen Kopfstand vor. Dann, mit einem kurzen Sprung, fasste er das Seil fest mit einer Hand und blieb daran hängen; von dieser Position aus kreiste und wirbelte er mehrere Male um das Seil, schleuderte seine Beine gegen den Himmel und wieder gegen den Boden, wie ein Rad.

Dann erfasste er das Seil, anstatt seine Hand zu verwenden, mit seiner Wade und hing mit dem Kopf nach unten. Und wieder drehte er sich und wirbelte auf dieselbe Art und Weise. Dann stand er wieder gerade in der Mitte des Seiles, nahm Pfeil und Bogen zur Hand und schoss auf ein entferntes Ziel. Danach, mit geschlossenen Augen und einem Kind auf seinen Schultern, ging er durch die Luft, dem Seil entlang, von einem Masten zum anderen.

Ein anderer führte seine Kunststücke auf einem Pferd aus. Er peitschte es in den Trott und, während das Pferd rannte, stand der Mann aufrecht auf ihm, einmal auf dem Sattel, dann auf der Mähne des Pferdes, dann wieder auf seinem Rücken, und er wechselte immer seine Füße, als würde er wie ein Vogel fliegen. Dann sprang er vom Pferd, während es noch trabte, griff nach seinem Schweif und, nach einem weiteren Sprung, war er plötzlich wieder im Sattel.

Ein weiterer positionierte auf seinen Kopf einen zwei Fuß hohen Stab, auf dessen Spitze er ein Gefäß mit einer Flüssigkeit stellte. Lange Zeit ging er umher und balancierte das Gefäß. Danach platzierte ein anderer einen Pfahl von mindestens drei Lot Länge auf seinem Kopf. Um diesen hatte man ein Seil gewunden, das so eine Art Stufen ergab. Ein Bub umfasste ihn mit seinen Beinen und Armen und diese abwechselnd kletterte er auf die Mastspitze und wieder hinunter. Und dieser Mann, der den Pfahl auf seinem Kopf trug, hörte nicht auf, umherzugehen.

Ein anderer Mann hatte eine Glaskugel, die er hoch in die Luft warf. Wenn sie wieder herunterfiel, fing er sie, manchmal nur mit seinen Fingerspitzen, manchmal mit den Ellbogen, dann mit etwas anderem und wieder mit etwas anderem.“

Der Geschichtsschreiber erzählt, dass diese Truppe von Byzanz bis nach Spanien gereist ist. Und er schreibt auch, dass ihre Vorführungen so gefährlich waren, dass von 40, die aus ihrer Heimat aufgebrochen waren, nur noch 20 übriggeblieben waren.