Geschichte und Kultur der Roma und Sinti – von Martin Auer

Verhältnis zu fremden Roma und Nichtroma

Nicht alle Romagruppen halten dieselben Vorschriften ein. Daher werden Roma, die sich besonders streng an die Vorschriften halten (žuže Roma), auch gegenüber anderen Roma vorsichtig sein. Wenn sie der Meinung sind, dass die andern die Vorschriften nicht einhalten, werden sie zum Beispiel von ihnen kein Essen annhmen, denn es könnte mahrime sein. Oder sie werden höchstens „trockenes Essen“ annehmen, also Essen, das nicht gekocht ist, zum Beispiel ein paar Kekse aus der Packung.

Erst recht wird man im Umgang mit Nichtroma, mit Gadje, vorsichtig sein. Žuže Roma werden nicht gemeinsam mit Gadje essen. Mongo Stojka, der aus einer Familie wandernder Lovara-Pferdehändler stammt, erzählt in seinen Erinnerungen, dass seine Mutter oft armen Gadje, denen sie unterwegs begegnet sind, etwas zu Essen gegben hat. Doch der Teller, von dem der Gadjo gegessen hatte, wurde hinterher weggeworfen.

Noch einmal: Alle diese Vorschriften sind von Gruppe zu Gruppe verschieden. Jede Gruppe hat eigene Vorstellungen davon, was sich gehört und was sich nicht gehört. Zum Beispiel ist es bei vielen Sinti, Manouche und Kale absolut ungehörig, von Dingen zu sprechen, die mit der Geburt im Zusammenhang stehen. Griechische und türkische Sepečides  kennen dieses Tabu überhaupt nicht.