Der weibliche Körper
Als mahrime gilt der weibliche Körper von der Taille abwärts. Der Oberkörper ist rein, deshalb kann eine Frau ohne Scham in der Öffentlichkeit einem Kind die Brust geben. Doch darf zum Beispiel der untere Rand ihres Rocks keinen Mann berühren. Eine Frau darf nicht über ein Werkzeug drübersteigen. Ein solches Werkzeug wäre mahrime und kein Mann würde es mehr benutzen, auch wenn es noch so teuer wäre. Daraus ergibt sich auch, dass eine Frau nicht über einem Mann stehen darf. Das würde ihn mahrime machen. Daraus können sich Schwierigkeiten ergeben. Zum Beispiel ist es vorgekommen, dass staatliche Behörden Roma Wohnungen angeboten haben. Doch die Roma konnten in diesen Wohnungen nicht leben. Warum? Es waren Wohnungen in mehrstöckigen Häusern, das heißt, dass Frauen sich über Männern befunden hätten. Die Mehrheitsbevölkerung konnte das nicht verstehen und hat die Roma für „undankbar“ gehalten. Aber man muss sich zum Beispiel vorstellen, dass jemand einem hungrigen Moslem oder Juden Schweinefleisch anbietet, oder einem hungrigen Christen am Freitag Fleisch zu essen vorsetzt.
Mahrime bedeutet nicht einfach eine verächtliche Haltung Frauen gegenüber. Es drückt sich darin auch Ehrfurcht vor der Macht der Frauen zu gebären aus. In dieser Fähigkeit wird etwas Magisches gesehen. Und mit magischen Kräften muss man vorsichtig umgehen, man darf ihnen nicht zu nahe kommen. Das ist in vielen Kulturen ähnlich.
Romnia bekommen durch die mahrime-Vorschriften auch eine besondere Macht. Matéo Maximoff erzählt zum Beispiel: Wenn die Kris, das Romagericht, einen Rom aus der Gemeinschaft ausschloss, dann riss sich eine Frau ein Stück von ihrem Unterrock ab und warf es nach dem Schuldigen. Der war darauf lebenslang mahrime und kein Rom durfte sich mehr mit ihm abgeben. Eine Romni konnte so auch ihren Mann oder ihren Bruder beschützen: Wenn es eine Rauferei gab, konnte sie seinem Gegner drohen, ihn mahrime zu machen, indem sie ein Stück von ihrem Unterrock nach ihm warf. Der Gegner beendete dann sofort den Kampf.