Schmiede
Von allen Handwerken hatte unter den Roma das Schmiedehandwerk das höchste Ansehen. Das Wissen und Können der Roma-Schmiede war auch unter den Nicht-Roma sehr begehrt.
Die verschiedenen Wörter für Metallverarbeitung im Romani stammen aus dem Griechischen, Armenischen und Persischen. Daraus ziehen viele Wissenschaftler den Schluss, dass die Roma das Schmiedehandwerk erst im Lauf ihrer Wanderung erlernt haben. Andererseits haben Roma-Schmiede immer im Sitzen gearbeitet, so wie die Schmiede in Indien. Das deutet darauf hin, dass sie diesen Beruf dochs schon aus Indien mitgebracht haben.
Aus der Slowakei kennen wir ein Rundschreiben aus der Zeit der Kaiserin Maria Theresia, in dem den Zigeunerschmieden verboten wurde, auf dem Boden sitzend zu arbeiten.
Ein griechisches Sprichwort sagt: „Jedes Dorf braucht eine Kirche und einen Zigeuner“ – das heißt: einen Pfarrer und einen Schmied. Die Roma-Schmiede arbeiteten für den Adel und das Militär. Sie stellten stellten Hufeisen, Ritterrüstungen, Kanonenkugeln, Schwerter und Steigbügel her. Durch ihre Wanderungen und ihre Sprachkenntnisse hatten die Roma an verschiedenen Orten die unterschiedlichsten Techniken und Werkzeuge kennengelernt. Sie wussten mehr als ihre sesshaften Kollegen und gaben ihr Wissen auch weiter. Die europäischen Schmiede lernten von ihnen, wie man Kupfer und ähnliche Metalle kalt schmiedet.
Wo immer sie hinkamen, passten sie sich an die Bedürfnisse der Bevölkerung an und erweiterten ihr Angebot: Sie waren Kesselflicker, Nägelmacher, Bohrermacher, Kupfer-, Gold- und Silberschmiede. Gold- und Silberschmiede boten ihre Dienstleistungen meistens auf Märkten an. Sie schmolzen Münzen auf Holzkohle und fertigten daraus in kürzester Zeit verschiedene Schmuckgegenstände an.
In der Slowakei hieß eine bestimmte Art Nägel mit breiten Köpfen romano karfin – Zigeunernägel. Die wurden nur von Roma hergestellt.
Oft half die ganze Familie bei der Arbeit. Die größeren Söhne halfen dem Schmied beim Hämmern des Eisens. Die Frauen und Kinder bedienten den Balsebalg, mit dem das Feuer in der Esse angefacht wurde. Die Kinder sammelten altes Eisen, das dann wieder verarbeitet wurde. Die Frauen gingen in die Dörfer, um die Waren zu verkaufen oder einzutauschen. Sie trugen 20 bis 30 Kilo an Hufeisen, Ketten, Klammern, Hacken in einem Tragetuch auf dem Rücken.
Die Roma-Schmiede in der Slowakei machten auch ihre eigene Holzkohle. Sie bauten im Wald einen Kohlenmeiler auf. Es dauerte mehrere Tage, bis das Holz langsam verkohlte, und während dieser Zeit lebte die Familie in einer Hütte im Wald.
„Die stärkste Gruppe der ehemaligen ‚Kortorara‘ hat, auch als sie sesshaft wurde, ihren ursprünglichen Beruf als Kesselschmied beibehalten. Wir arbeiteten überwiegend mit Kupfer, und in Siebenbürgen hießen wir auch ‚Nemtoi‘ (Neamt-Deutsche), vielleicht weil wir Kupferschmiede die reichsten aller Roma-Gruppen waren. Ein Kesselschmied verdiente so viel er nur wollte, vorausgesetzt, er verstand sein Handwerk. Dieser Ruf ist uns geblieben. Als zum Beispiel zu Beginn der siebziger Jahre der Industriekessel der Independenta-Werke von Hermannstadt (Sibiu) einen schweren Schaden erlitten hatte und die Fachleute keinen Rat mehr wussten, ließ der Werkmeister den Zigeuner Mihutescu rufen. Mein Vater kam, besah sich den Schaden und versprach, ihn unter der Bedingung in Stand zu setzen, dass er hinter verschlossenen Türen arbeiten dürfe; und er hat es geschafft.“
Wir sind Schmiede, wir sind Handwerker. Wir sind nicht solche Roma, die nomadisieren. In unserer „mahalla“ sind alle Roma reich und anständig. Wir sind hierher gekommen, um unser Handwerk auszuüben. Ich erzeuge Pressformen, Eisenpfeiler, Eisenriegel sowie Beschläge für Türen, Tore und Kästen. Sieben Wochen nach dem „herdelezi“ feiern wir das Fest des heiligen Daut. Er war Schmied. Aber er nahm keinen Hammer, sondern er benützte einfach seine Hand, seine Faust. Er ist unser Patron (Romani: piri). Sieben Wochen nach dem „herdelezi“ feiern wir sein Fest.