Ungarn ist toleranter
Nur in Ungarn wurden die Roma zeitweise toleranter behandelt. Dort schätzte man ihre Kenntisse in der Metallverarbeitung und Waffenerzeugung. Einige Dokumente berichten darüber:
Wir wissen, dass 1476 die Bürger von Hermannstadt eigens die Erlaubnis des Königs Matthias Corvinus einholen mussten, bevor sie Roma in den Vorstädten arbeiten lassen durften. Denn die Roma standen unter dem Schutz des Königs.
1616 gab zum Beispiel Graf Georg Thurzo, Palatin des Königreiches Ungarn, einer Gruppe von Roma die Erlaubnis, sich in seinem Herrschaftsgebiet niederzulassen und ihr Schmiedehandwerk auszuüben.
Im 17. Jahrhundert erlaubte auch Graf Christoph Batthyány den Roma, sich in seinen Gebieten anzusiedeln und Dörfer zu gründen. Diese Gebiete liegen heute im österreichischen Burgenland, damals gehörten sie zu Westungarn. Die Grafen Esterházy, deren Herrschaftsgebiet nördlich davon lag, vertrieben die Roma aus ihren Gebieten.
In der Slowakei, die damals zu Ungarn gehörte, bedienten sich im 16. Jahrhundert die Besitzer des Schlosses Spišsky der Roma als Läufer: Bei der Jagd sollten sie das Wild aus den Wäldern treiben. Außerdem sollten sie im Wald Holz, Pilze, Kräuter und Früchte für die Burg sammeln. Im Lauf der Zeit ließen sich immer mehr Roma-Familien in der Slowakei nieder. Da sie aus Serbien kamen, wurden sie lange Zeit als Servika-Roma bezeichnet.
1893 haben die ungarischen Behörden (Ungarn gehörte jetzt zum Habsburgerreich Österreich-Ungarn) eine Volkszählung gemacht. Damals lebten 36.231 Zigeuner in der Slowakei. Von ihnen führten nur 608 ein Wanderleben. Laut der ungarischen Volkszählung verdienten sich 4.597 Roma-Familien ihren Lebensunterhalt durch Metallarbeit, 4.075 mit Musik, 1.817 durch die Herstellung von ungebrannten Lehmziegeln, 1.079 durch das Herstellen von Schnüren und Bürsten; andere Familien wiederum stellten Körbe und Besen her; 509 Frauen stellten Häkelarbeiten und Spitzen her. Servika-Roma arbeiteten für die Bauern auf den Feldern und beim Straßenbau. Einige waren Händler.